Wir schreiben das Jahr 1066. Das Jahr, in dem die englische Geschichtsschreibung ein neues Kapitel aufschlagen sollte, denn es läutete das Ende der Herrschaft der Angelsachsen und der damals vor allem im Norden Englands ansässigen Wikinger, der Dänen, über England ein. Wie kam es jedoch dazu, das ein Normanne aus Frankreich über den Ärmelkanal hinübersetzte und ein Land für sich eroberte?
Zunächst einmal ging im Jahr 1066 die Krone des englischen Königs Edward des Bekenners, der in dem Jahr kinderlos starb, an seinen Schwager Harald Godwinson über. Bereits im Jahr 1053 hatte Harald Godwinson die Nachfolge seines Vaters, Godwins von Wessex, angetreten und war damit der mächtigste angelsächsische Herzog geworden. Edward hatte ihn selbst kurz vor seinem Tod zu seinem Nachfolger bestimmt, sodass Harald nun vom Witenagemot, gewählt werden konnte und als Harald II. den englischen Thron bestieg. Das Witenagemot war die Ratsversammlung geistiger und weltlicher Würdenträger des angelsächsischen Königreiches in England. Haralds Krönung erfolgte somit rechtmäßig im Jahr 1066 in der Westminster Abbey in London.
Während seiner Herrschaft hatte Edward der Bekenner immer wieder gegen Wales und Schottland kämpfen müssen, die ihm seine Herrschaft streitig machten. Deshalb konnte er sich nicht fest im Sattel fühlen und diese Schwäche in seinem Herrschaftsanspruch übernahm nun auch Harald II.
Haralds Krone saß also nicht sicher auf seinem Haupt, vor allem als sie ihm jemand streitig machte, der sich selbst berechtigt sah, Ansprüche auf den englischen Thron erheben zu dürfen: Wilhelm aus der Normandie, der spätere Wilhelm der Eroberer. Ihm war Harald schon einmal begegnet. Während einer Seereise nach Frankreich war er nämlich in Gefangenschaft geraten, aus der ihn Wilhelm befreite. Wilhelm rang Harald im Zuge dessen die Gefolgschaft ab. Für Wilhelm bindend, aber nicht für Harald, da von ihm der Treueeid in Gefangenschaft quasi erpresst worden war.
Wer aber war nun Wilhelm der Eroberer? Der Mann, der später als Wilhelm der Eroberer in die Geschichte eingehen sollte, war eigentlich ein normannischer Herzog, der illegitime Sohn des normannischen Herzogs Robert I., von dem er den Herzogstitel übernommen hatte. Wilhelm wurde in der französischen Normandie groß, in einer von Machtkämpfen gekennzeichneten Zeit. Er setzte sich erfolgreich gegen Intrigen und Machtkämpfe zur Wehr und festigte seine Macht in der Normandie, indem er mehrere Aufstände niederschlug und sich gegenüber anderen Adelshäusern durch setzte. Wilhelm nutzte seine Verbindungen zur Krone und zu anderen Adelshäusern, aber auch zur Kirche strategisch geschickt.
Familiäre Verbindungen zum englischen Thron hatte Wilhelm tatsächlich durch seine Großtante Emma, die mit dem angelsächsischen König Æthelred, dem Vater von Edward dem Bekenner, verheiratet gewesen war. Die Machtkämpfe im englischen Königshaus verfolgte Wilhelm äußerst aufmerksam von der anderen Seite des Ärmelkanals aus. Seine Informanten waren vor Ort und er beschloss, die Lage nach dem Tod von Edward dem Bekenner zu nutzen und seine Ansprüche auf den englischen Thron zu erheben. Bereits zu Lebzeiten Edwards hatte Wilhelm seine Kontakte zur Britischen Insel ausgebaut, ernannte mögliche Nachfolger Edwards zu seinen Lehnsmännern und machte sie damit zu seinen Verbündeten. Außerdem erklärte er kurzerhand, dass Edward ihn während seines eigenen Aufenthalts am englischen Hof im Jahr 1064 zu seinem Nachfolger bestimmt habe. Nun wackelte der Stuhl des neu gekrönten Königs Harald II. erheblich.
Um seine Ansprüche militärisch einzufordern, warb Wilhelm Soldaten aus Flandern und Nordfrankreich an, um mit ihnen nach England zu ziehen. Er versammelte sie an der Küste des Ärmelkanals und wartete auf eine günstige Gelegenheit, um überzusetzen. Die sollte sich ergeben, als Harald II. im September 1066 in der Schlacht von Stamford Bridge im Norden Englands die Angriffe des Norwegerkönigs Harald Hardråde, der ebenfalls nach der englischen Krone zu greifen gedachte, abwehren musste.
Und so landete Wilhelm mit seiner Armee im September 1066 bei Pevensey, östlich des heutigen Eastbourne. Von dort aus schlug er sich nach Hastings durch, dem Ort, der zur entscheidenden Schlacht werden sollte. Denn bei Hastings stieß er ganz in der Nähe des heutigen Ortes Battle auf die angelsächsische Armee von Harald II., die ihr Land tapfer verteidigen wollte. Die Schlacht von Hastings zählt zu den größten Schlachten des Mittelalters. Obwohl das Heer von Harald II. zahlenmäßig über dem von Wilhelm lag, siegten die Normannen, vor allem, weil sie einen höheren Anteil an Bogenschützen und an Berufskriegern hatten, während Haralds Soldaten eher auf den Nahkampf statt auf Bogenschützen gezählt hatten. Letztendlich machte ein Trick Wilhelms für die Angelsachsen alles zunichte: Seine Armee täuschte die Flucht vor und Harald II. und seine Männer fielen darauf herein. Harald II. selbst fiel in der Schlacht von Hastings, wodurch die Angelsachsen, ihres Königs beraubt, aufgeben mussten. Für Wilhelm war damit der Weg zum englischen Thron frei.
Die Nachricht vom Tod des Königs und vom Sieg der Normannen bei Hastings führte dazu, dass sich im Süden nach und nach Kent, Sussex und das südliche Hampshire ergaben. Selbst Winchester, die Hauptstadt der Angelsachsen, ergab sich Wilhelm kampflos. So zog Wilhelm weiter nach Norden in Richtung London und, um die Stadt zu isolieren und damit zur Aufgabe zu zwingen, begann er das Land rund um die damals schon große Stadt zu verwüsten, zog weiter nach Berkshire und von dort in nördliche Richtung.
Durch seinen Siegeszug entmutigt und durch die Verwüstungen, mit denen er das Land überzog, der jeglichen Nachschub an Lebensmitteln für die Bevölkerung zunichtemachte, ergaben sich auch die restlichen Gebiete des angelsächsischen Königreiches. Wilhelm zog schließlich in London ein, wo er im Dezember 1066 in der Westminster Abbey zum König von England gekrönt wurde. In den darauffolgenden Jahren festigte Wilhelm seine Position in England und zog in Richtung Nordengland, als ein Angriff der Dänen, die nach wie vor den Norden Englands besetzt hielten, drohte. Nachdem Wilhelm mit seinen Normannen auch diesen Teil des Landes gnadenlos verwüstet hatte, zogen sich die Dänen letztendlich zurück.
In dem von ihm eroberten Land lies Wilhelm Burgen errichteten, mit denen er sein Gebiet vor allem gegen Angriffe der Wikinger verteidigen wollte. Durch das ganze Land, vor allem an der Küste, zogen sich seine Verteidigungsanlagen. In London entstanden mehrere Festungen, unter anderem der berühmte Tower of London. Den Angriffen der Wikinger, die letzte dabei waren die unter Knut dem Heiligen, entzog er durch Verwüstungen im Land die Versorgungsgrundlage und zwang sie so zum Aufgeben, denn die Wikinger versorgten selbst ihr Heer durch Plünderungen der Dörfer und Städte.
Allerdings dauerte es tatsächlich bis circa 1072 bis Wilhelm das Land wirklich erobert und seine Position gefestigt hatte, denn beim eingesessenen Adel regte sich bald Widerstand. Wilhelm ging jedoch gnadenlos gegen jedweden Widerstand vor, sodass jeder, der sich gegen ihn erhob, sein Land und seine Besitztümer verlor. Wilhelm vergab Land und Titel an seine Leute und wenn ein einheimischer Adeliger ohne Nachkommen verstarb, so fielen auch in dem Fall Besitz und Titel an Wilhelms Gefolgsleute. So konnte sich Wilhelm ihrer Loyalität sicher sein.
Durch den Sieg über England war Wilhelm selbst zum Besitzer des von ihm eroberten Grund und Bodens geworden. Dies stärkte seine Position als oberster Lehnsherr gegenüber dem englischen Adel. Das Lehnsystem war ein System, das er aus Frankreich kannte und nun auf den Britischen Inseln noch radikaler umsetzte. Denn: Sein Feldzug hatte ihn einiges an Geld gekostet und seine Ausgaben holte er sich nun zurück.
Bevor die Normannen in England eintrafen, hatten die Angelsachsen bereits ein für die damalige Zeit modernes Verwaltungssystem geschaffen. Sie hatten einen dauerhaften Hof in Winchester eingerichtet, wo die Schätze des Reiches verwaltet wurden. Das Land war in Verwaltungseinheiten, in „shires“ aufgeteilt. Wilhelm der Eroberer konnte auf dieses System aufbauen und es zentralisieren. Mit Wilhelm dem Eroberer wurde England so zu einem nun zentral regierten Königreich. Die Shires verloren dabei ihre bisherige Autonomie.
Um sich eine Übersicht über seine neuen Besitztümer und Finanzen zu verschaffen, ließ Wilhelm im Jahr 1086 das sogenannte Domesday Book erstellen. Dieses Dokument war in dieser Form ein bis dato noch nirgendwo in Europa da gewesenes Buch mit einer Übersicht der Liegenschaften des Königs in den meisten Teilen des Landes, eine Art Kataster. Das Buch bildete die Grundlage für die Steuern, die er künftig als König erheben würde.
Auch die Sprache änderte sich durch die Eroberung der Normannen. In England entstand nun das Englische, das eine Mischform aus den Sprachen beider Seiten war: aus den bisherigen angelsächsischen Dialekten, die man im Reich der Angelsachsen gesprochen hatte, und dem sogenannten Vulgärlatein, das man in Nordfrankreich, der Normandie sprach.
Wilhelm selbst verstarb 1087 auf französischem Boden, nachdem er sich dazu aufgemacht hatte, seine Besitzungen in Frankreich zu verteidigen. Zu seinem Nachfolger auf dem englischen Thron bestimmte er seinen zweitältesten Sohn, der als Wilhelm II. zum König gekrönt wurde. Wilhelms ältester Sohn Robert wiederum trat seine Nachfolge in der Normandie an und wurde dort neuer Herzog der Normandie.
Die Eroberung Englands durch die Normannen war auch der Beginn der engen Verwicklung zwischen England und Frankreich, denn England wurde nun normannisches Reich. Dies beeinflusste nicht nur die Kultur in England, sondern im Umkehrschluss auch jene in Frankreich. Beide Seiten sollten in den Jahren nach 1066 wiederholt Ansprüche auf den jeweils anderen Thron erheben. Doch das ist eine andere Geschichte…
Die Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer erzählt der Teppich von Bayeux. Er berichtet in zahlreichen kunstvoll und ganz detailliert gestickten Szenen über die gesamte Geschichte der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer. Dabei entstand ein beinahe siebzig Meter langer Wandteppich, der heute noch erhalten ist.
Dieses Video zeigt den wunderschönen Wandteppich von Bayeux und erzählt dazu die darauf bestickte Geschichte in deutschen Untertiteln:
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